Erfahrungsbericht zum Praxiskurs Gefahrenbeurteilung der Fachleute Naturgefahren Schweiz
Am 24. Juli war es endlich soweit, wir konnten im Rahmen der Weiterbildung bei geo7 am Praxiskurs «Gefahrenbeurteilung gravitative Naturgefahren» in Grindelwald teilnehmen. Für uns dauerte der gesamte Kurs eine Woche und war in ein eintägiges Basismodul und zwei zweitägige Prozessmodule eingeteilt. Zur Auswahl standen die Module Rutsch, Sturz, Lawinen, Wildbach und Fliessgewässer. Wir konnten beide je einen Platz in den begehrten Modulen Wildbach und Rutsch ergattern.
Das Basismodul führte uns in die Thematik der Beurteilung von Naturgefahren ein. Ziel war es alle Teilnehmenden auf denselben Wissenstand zu bringen und einander kennenzulernen. Hier trafen wird auch einige bekannte Gesichter aus dem Studium. Die theoretischen Grundlagen wurden an diesem Tag oft in Gruppen diskutiert, mit Erfahrungsberichten von den leitenden und teilnehmenden Personen geschmückt und die unterschiedlichen Interessen der Akteure durchleuchtet. Die vielen interessanten Diskussionen und die Aufteilung in kleineren Gruppen führten dazu, dass auch ein Tag mit uns mehrheitlich bekannten Inhalten und teils viel Theorie kurzweilig und abwechslungsreich war.
Nun waren wir also bereit, die Prozesse im Gelände kennenzulernen. Gewappnet mit viel Sonnencreme, Wasser und Wissensdurst (es war immerhin über 30° C in Grindelwald) machten wir uns am zweiten und dritten Tag an die Beurteilung der Wildbäche. Wir waren dank einer Vorbereitungsübung bestens informiert über den zu beurteilenden Wärgistalbach, waren allerdings trotzdem froh, einige der selber zusammengestellten Erkenntnisse als Einführung zusammen zu besprechen. Kurz darauf machten wir uns auf den Weg von Alpiglen runter zum Bach. Unsere erste Aufgabe war es, das Geschiebepotential des Baches abzuschätzen. Diese Abschätzung schien für die meisten Teilnehmenden sowie auch für uns auf den ersten (und wohl auch zweiten Blick) eher wenig mit harten Fakten verknüpft zu sein. Die Treffsicherheit wäre auf einer Skala von «Zufall – berechnet» wohl irgendwo dazwischen, die fehlende Erfahrung schlägt da ungebremst zu Buche…. Wie wir am nächsten Tag feststellen sollten, war die Spannweite des total geschätzten Geschiebepotentials unter den einzelnen Teilnehmenden dann auch relativ gross. Mit einer Geschiebeabschätzung ist allerdings das Beurteilen eines Wildbaches noch lange nicht fertig. In einem ersten Teil wurden wir in das Handwerk der Schwemmholzabschätzung, das Erkennen von Spuren von vergangenen Ereignissen, Rutschungen und instabilen Hängen, und das Beurteilen von Schutzbauwerken und Schwachstellen eingeführt. Im zweiten Teil des Moduls gings dann um die Auswirkungen im Siedlungsgebiet, konkret über das Erstellen von Intensitäts- und Gefahrenkarten. Neben den mangelnden Erfahrungswerten und (absichtlich untergejubelten) veralteten Kartengrundlagen machte uns allmählich die Hitze zu schaffen, da wir mittlerweile den schattigen Wald und das kühlende Umfeld des Baches verlassen hatten. Bei einem Vergleich der aktuellen Gefahrenkarte mit den selber erstellten Abschätzungen durften wir erfreut feststellen, dass, obwohl die Karten nicht ganz identisch sind, wir viel dazugelernt haben und die persönlichen Einschätzungen gar nicht so falsch waren.
Die nächsten zwei Tage verbrachten wir mit der Beurteilung von Rutschungen. Praktisch das ganze Gebiet in Grindelwald ist durch Rutschungen gefährdet, also der ideale Ort um mehr über diese Gefahr zu erfahren. Nach einem informativen und diskussionsreichen Vormittag im Schatten gings dann raus zum Terrassenweg in die pralle Hitze. Dort spazierten wir durch die Strassen, Häuser und Felder um eine Karte der Phänomene zu erstellen und mögliche Indizien für permanente Rutschungen zu sichten, von welchen es «glücklicherweise» viele gibt: Risse in den Häuser, schräge Türrahmen, verbogenen Dachkännel, gekrümmte Bäume, unebene Böden und vieles mehr. Als wir dann unsere Beobachtungen mit den tatsächlich gemessenen Daten der Verschiebung verglichen, waren wir dann doch erstaunt, dass an den stärksten betroffenen Stellen das Gebiet bis zu 70 cm / Jahr rutscht. Zudem probierten wir herauszufinden wie diese Rutschung funktioniert und aufgebaut ist. Das Kursgelände des zweiten Tages war ein Gebiet mit weiteren permanenten Rutschungen, welche aber einen komplett anderen Prozesscharakter aufweisen. Zudem ist die Gegend durch Hangmuren geprägt und wir wurden in die Fertigkeiten der Beurteilung von Hangmuren / spontanen Rutschungen eingeführt. Hierbei wurde der Fokus auf das Festlegen potentiell gefährdeter Gebiete, das Erkennen vergangener Ereignisse und das Definieren von Förderfaktoren gelegt. Auch hier erleichtert sicherlich die Erfahrung die gesamte Beurteilung. Auch diese beiden Tage waren sehr lehrreich und haben uns nicht-Geologinnen einen wichtigen Grundstein für die Beurteilung von Gefahren im Untergrund gesetzt.
Die gesamte Woche war für uns sehr wertvoll. Wir schätzen die Möglichkeit von erfahrenen Experten und Expertinnen profitieren zu dürfen sehr. Die angeregten Diskussionen dank motivierten Leitenden und Teilnehmenden waren sowohl interessant als auch lehrreich. Wir konnten in diesen Tagen wichtige Kontakte knüpfen und unser Wissen vertiefen. Wir freuen uns darauf, unseren persönlichen Erfahrungsrucksack zukünftig weiter zu füllen.